Sowohl die Strukturen der globalen Wirtschaft wie der Forschung verlangen zunehmend nach Professionalisierung und Spezialisierung. Dabei werden Menschen ohne spezielle Zertifikate, Qualifikationen oder akademischen Hintergrund zunehmend aus den Reihen der Produktiven, Aktiven, Kreativen in die Ecke des reinen „Konsumenten“ gedrängt. Der Bürger soll zwar Massenartikel, virtuelle Produkte und ausgefallenen „Kunstwerke“ konsumieren, sowie die Ergebnisse der Wissenschaft rezipieren. Es wird für den Bürger sogar alles in „leichter Sprache“ geschrieben und mit großen Bildern geschmückt, aber, der Bürger wird dabei schrittweise um ein Grundrecht beschnitten: Er kann immer weniger aktiv an Forschung und Wissenschaft, Kunst und Kultur teilhaben. Es wird ihm schlichtweg die Kompetenz aberkannt, wenn er nicht ein Zertifikat besitzt und sich als Spezialist im betreffenden Sachgebiet ausweisen kann. Obwohl jede Bürgerin und jeder Bürger das garantierte Recht auf Entfaltung, kreative Selbstverwirklichung und freie Forschung besitzt!
Stadtmuseen gehören zu jenen Einrichtungen, die idealerweise Forschungseinrichtungen und Schulen mit einem freien Bildungsangebot begleiten. Sie behandeln ihre „Besucher“ nicht als „Kunden“ (Kulturkonsumenten), sondern binden sie bisher als Partizipierende, als Teilhabende in Recherche- und Forschungs-, Ausstellungs- und Publikationsvorhaben ein. Seien es Studenten, Schüler Lehrer, Ehrenamtliche, Teilnehmer von Arbeitsgruppen, alle Interessierten können aktiv und vor allem Ergebnis orientiert an der Museumsarbeit teilhaben. Dieser partizipative Ansatz unterscheidet Stadtmuseen von Liebhaber- und Spartenmuseen.
Das Städtische Museum Kitzingen war unter meiner Leitung zu einem klassischen Stadtmuseum geworden, dessen strategische Ausrichtung bewusst auf einem partizipativen Bildungsansatz beruhte. Diesen Ansatz habe ich auch im neuen Konzeptentwurf weiterverfolgt indem ich meinen Schwerpunkt auf die Inklusion legte um nun auch Menschen mit Beeinträchtigungen verstärkt einen Weg zur kulturellen Teilhabe zu öffnen. Im Idealfall wäre das Kitzinger Stadtmuseum ein „Museum für Alle“ geworden.
Dieses Konzept wird nun als Grund genannt, weswegen weder das Museum noch meine Person weiterhin für die Stadt Kitzingen tragbar sein sollen (Zitat Weichhan/Mainpost: „Sie schlug dem Zeitgeist die Tür vor der Nase zu“).
Es wird an verschiedenen Stellen der Wunsch nach einer stärkeren „Besucherorientierung“ des Kitzinger Museums mit den Alleinstellungsmerkmalen „Weinsensorik“ und „Biersensorik“ geäußert. Aber muss Besucherorientierung tatsächlich ein verstärktes Event-, Unterhaltungs- und Spaßangebot und damit eine zunehmende Kommerzialisierung des Museums bedeuten?
Können wir uns den bisherigen partizipativen und zunehmend inklusive Ansatz mit (kosten-)freiem Zugang zu Kunst, Kultur und Forschung für Jedermann/-frau tatsächlich nicht mehr leisten?
Daher ich bitte noch einmal zu überdenken, ob es wirklich angebracht ist ein Stadtmuseum, das seit 125 Jahren Menschen einen freien Zugang zur Kulturgeschichte der Stadt Kitzingen bietet, zu schließen, bzw. es alternativ in eine leicht konsumierbare geistige Wellnessoase oder ein begehbares Archiv zu verwandeln. Es ginge in beiden Fällen eine Einrichtung verloren, die allen Bürger*innen den Zugang zu einer nicht kommerzialisierten Beteiligung an Wissenschaft, Kunst und Kultur ermöglicht.
Gerne würde ich mein Konzept sowohl dem Stadtrat als auch der Bürgerschaft endlich vorstellen dürfen, vor allem um den darin enthaltenen inklusiven Ansatz zu erläutern.